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Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen bei der Altersrente

Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen bei der Altersrente

Arbeit muss sich auch für Rentner lohnen

Der Wegfall der Hinzuverdienstgrenzen bei der Altersrente eröffnet neue Chancen im Kampf gegen den Fachkräftemangel

Ruhestand oder doch lieber Unruhestand? – Viele Arbeitnehmer, die vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente gehen, sind durchaus bereit, weiter erwerbstätig zu bleiben – wenn die Bedingungen stimmen. Das größte Hindernis dafür war bis Dezember 2022 die gesetzliche Hinzuverdienstgrenze. Denn wer diese Grenze überschritten hat, musste Einbußen bei seinen Bezügen aus der gesetzlichen Rentenversicherung (gRV) hinnehmen. Ein gesamtwirtschaftliches Unding in einer Zeit, in der erfahrene Fachkräfte an allen Ecken und Enden fehlen. Zum 1. Januar 2023 aber hat der Gesetzgeber diese Grenze für vorgezogene Altersrenten in der gRV vollständig abgeschafft. Das eröffnet auch Unternehmen, die ihren Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung bieten, neue Wege im Kampf gegen den Fachkräftemangel.

Die Option, die Rente aus der gRV früher zu beziehen, soll es älteren Arbeitskräften ermöglichen, den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibel zu gestalten. Zudem soll sie einen konkreten Anreiz dafür schaffen, über den vorgezogenen Renteneintritt hinaus weiter zu arbeiten. Genau solche finanziellen Anreize – und sozialverträgliche Jobs – stehen weit oben auf der Wunschliste derer, die dazu bereit sind. Das geht aus einem Bericht für das Bundesarbeitsministeriums hervor.[1]

 

Neue personalpolitische Chancen für Arbeitgeber

Laut Betriebsrentengesetz (BetrAVG) hat ein Arbeitnehmer, der eine Vollrente aus der gRV bezieht, auch Anspruch auf seine betriebliche Altersversorgung (bAV), wenn er dies wünscht und sowohl die erforderliche Wartezeit als auch andere Leistungsvoraussetzungen erfüllt. Bei der Gestaltung der Versorgungszusage lässt der Gesetzgeber den Unternehmen in dieser Hinsicht freie Hand. Sie können selbst festlegen, ob ihre Beschäftigten ihre Betriebsrente – zugleich mit der vorgezogenen gesetzlichen Rente – schon während eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses beziehen können oder erst nach dessen Beendigung. Die Versorgungszusage kann auch einen Zuwachs an weiteren Anwartschaften bis zum Ausscheiden oder bis zur Regelaltersgrenze ermöglichen, etwa durch den Erwerb zusätzlicher Versorgungsleistungen.

All dies gibt Arbeitgebern nützliche personalpolitische Instrumente an die Hand. Sie können gezielt finanzielle Anreize setzen, um ältere Mitarbeiter entweder im Unternehmen zu halten oder ihnen das Ausscheiden zu erleichtern. Das gilt ganz besonders, wenn sie nicht nur an eine bedarfsgerechte Kombination von gesetzlicher und betrieblicher Rente denken, sondern auch an weitere Möglichkeiten der Flexibilisierung, z.B. an Vorruhestandsmodelle, die auf Wertguthaben beruhen.

Worauf gilt es, zu achten?

Auf alle Fälle ist es ratsam, gründlich zu analysieren, wie sich eine Weiterarbeit, eine vorgezogene gesetzlichen Rente und eine vorzeitige betriebliche Altersleistung wechselseitig auf die personalpolitischen Ziele auswirken. Dabei sollten Unternehmen vor allem folgende Punkte beachten:

  • Der Versorgungscharakter einer betrieblichen Altersleistung muss auch dann erkennbar sein, wenn das Ausscheiden und der Wegfall des Erwerbseinkommens keine Voraussetzungen für den Leistungsbezug sind.
  • Eine Erhöhung der gesetzlichen Rente – und womöglich auch der Betriebsrente – nach Weiterarbeit kann komplexe Auswirkungen haben, insbesondere bei Anrechnungsregelungen und Gesamtversorgungssystemen.
  • Anders als das BetrAVG, das den Anspruch auf betriebliche Altersleistung an den Bezug einer Vollrente aus der gRV knüpft, sehen externe Versorgungsträger eine solche Verknüpfung oft nicht vor. Dennoch kann sich aus dem BetrAVG (§ 1 Abs. 1 Satz 3) ein Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Unternehmen ergeben.
  • Pensionskassen dürfen Leistungen nach § 232 Abs. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) grundsätzlich erst nach dem Wegfall des Erwerbseinkommens vorsehen. Diese Regelung kann zu einer Benachteiligung der eigenen Belegschaft führen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn Beschäftigte, die in ihrem alten Unternehmen erwerbstätig bleiben, keine Rente aus der Pensionskasse beziehen, diejenigen, die bei einem anderen Unternehmen weiterarbeiten, dagegen schon.
  • Wird die Zusage über eine Versicherung finanziert und endet sie diese Finanzierung ab einem bestimmten Alter des Arbeitnehmers, muss der Arbeitgeber prüfen, ob weitere Versicherungen erforderlich sind und zu welchen Konditionen dies möglich ist.
  • Darüber hinaus können viele praktische Fragen auftreten, z.B. ob das Lohnabrechnungssystem den gleichzeitigen Bezug von Lohn und Versorgungsleistungen problemlos verarbeiten kann.

Fazit

In der Regel planen Menschen, die das Rentenalter erreicht haben, ihren Ruhestand zu genießen und sich nur noch privaten Beschäftigungen zu widmen. Unternehmen dagegen sind naturgemäß daran interessiert, erfahrene Mitarbeiter möglichst lange zu halten. Um potenzielle Kandidaten zu überzeugen, sollten Unternehmen nicht nur attraktive Arbeitsplätze bieten, sondern auch darüber nachdenken, wie sich der Eintritt in den Ruhestand flexibler gestalten lässt – insbesondere finanziell. An welchen Stellschrauben gedreht werden muss, ist in jedem einzelnen Unternehmen zu analysieren, und es sind noch viele, vor allem rechtliche Fragen zu klären. Immerhin: Mit der Grenzöffnung in Sachen Hinzuverdienst tun sich ganz neue Wege auf. Nun gilt es, diese auch zu beschreiten.

Autorin: Susanne Lang, Lurse

[1] Statistisches Bundesamt im Auftrag der Bundesregierung und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Hrsg.): „Blick auf die Flexirente – Projektbericht zur Untersuchung der Inanspruchnahme und Wirksamkeit sowie der bürokratischen Belastung des Flexirentengesetzes“, S. 111

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