Gesetzentwurf zum Nachweisgesetz ist nicht zeitgemäß
Die Ampelkoalition hat es sich zum Ziel gesetzt, in Deutschland die Digitalisierung und Modernisierung voranzutreiben, was in Wirtschaft und Bevölkerung auf große Zustimmung stößt.
Bedauerlicherweise wird bei der geplanten Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (Arbeitsbedingungenrichtlinie) in deutsches Recht (hier im Fokus: das Nachweisgesetz) die so wichtige digitale Komponente außer Acht gelassen. Dies zeigt der in der ersten Beratung im Bundestag am 12.05.2022 debattierte Gesetzesentwurf BT- Drs. 20/1636 vom 02.05.2022.
Nach dem Nachweisgesetz in noch geltender Fassung müssen Arbeitgeber in Deutschland die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederlegen, die Niederschrift unterzeichnen und dem Arbeitnehmer aushändigen. Der Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen in elektronischer Form ist ausdrücklich ausgeschlossen. Letzteres wurde im Zuge der Digitalisierung und mit Blick auf die EU-Richtlinie 2019/1152 von der Unternehmenspraxis schon als überholt angesehen.
Die EU-Richtlinie 2019/1152 sieht neben der Zurverfügungstellung in Papierform alternativ ausdrücklich eine elektronische Übermittlung der Informationen zu den Arbeitsbedingungen vor. Im genannten Gesetzesentwurf hat diese Option bedauerlicherweise keinen Eingang in das Nachweisgesetz gefunden. Stattdessen ist im Gesetzentwurf ein Bußgeld von bis zu € 2000,- bei Rechtsverstoß vorgesehen. Für deutsche Unternehmen bedeutet diese Regelung ein weiteres Anhäufen von Papierakten in der Personalabteilung und einen enormen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Das ist nicht nachhaltig und alles andere als zeitgemäß. Im Übrigen widerspricht es dem Vorhaben der Koalitionspartner, die Digitalisierungshemmnisse und Bürokratie in Deutschland abzubauen.
Lurse treibt die Digitalisierung der Administration und eine nutzergerechte Kommunikation im Bereich der betrieblichen Altersversorgung (gehört zu den wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses) voran.
Viele Unternehmen haben inzwischen die betriebliche Altersversorgung ganz oder teilweise digitalisiert oder planen, dies zu tun. Die Umstellung auf einen digitalen Prozess beinhaltet typischerweise auch, dass Mitarbeiter Anträge (z. B. zur Entgeltumwandlung oder Auswahl von Leistungsinhalten) zeitlich flexibel über ein webbasiertes Portal abgeben und je nach persönlichem Bedarf auch später anpassen können. Beispielsweise können Beschäftigte über digitale Mitarbeiterportale die Höhe ihrer Beiträge in der Entgeltumwandlung monatlich ändern. Auf Basis des genannten Gesetzentwurfes wäre jede Änderung in Papierform zu dokumentieren und zu unterzeichnen, ein unglaublicher bürokratischer Aufwand, der praktisch nicht umsetzbar ist und die Arbeitgeber letztlich zwingen würde, ihre flexiblen Angebote in der betrieblichen Altersversorgung zu streichen. Demnach würde die inhaltliche Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung für die Beschäftigten in Deutschland unattraktiver werden und angesichts der demographischen Entwicklung notwendige Bestreben, die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu steigern, konterkarieren. Laut dem Gesetzesentwurf können die Angaben zu den Arbeitsbedingungen ersetzt werden durch einen Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen. Sprecherausschussvereinbarungen, die auch zu den Kollektivregelungen zählen, sind hier nicht aufgeführt, sollten aber unbedingt ergänzt werden.
Im aktuellen Gesetzentwurf des Nachweisgesetzes müssen noch Ergänzungen, insbesondere die digitale Option, aufgenommen werden. Es ist nicht im Interesse deutscher Unternehmen und Dienstleister im Jahr 2022 neue Regelungen zu bekommen, die bereits eingeführte, elektronische Abläufe zurück auf Papier verlagern!
Autor:
Stephan Döll, Partner