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Nachhaltigkeit in der bAV

Nachhaltigkeit in der bAV

Ende Juni 2022 fand die erste Hybridveranstaltung des Lurse Round Tables Rethinking Pensions in Düsseldorf statt. Neun Führungskräfte der Versicherungswirtschaft mit Fokus auf die bAV trafen sich u.a. zur Diskussion des Themas Nachhaltigkeit in der bAV.

Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin, Stuttgarter Vorsorge-Management stellte die Frage, wann die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen in der bAV-Beratung eine Rolle spielt. Anschließend wurde über die Bedeutung nachhaltiger bAV-Produkte diskutiert. Der Folgende Beitrag gibt einen Einblick in die Ausführungen und wird durch wertvolle Experten-Statements ergänzt.

Nachhaltige Beratung in der betrieblichen Altersversorgung

Ab dem 2. August sind Vermittler gemäß Insurance Distribution Directive (IDD) – auch Vermittlerrichtlinie genannt – verpflichtet die Nachhaltigkeitspräferenzen des potentiellen Kunden im Beratungsgespräch für versicherungsbasierte Anlageprodukte abzufragen. Damit wird Nachhaltigkeit systematisch in den Beratungsprozess der dritten Altersvorsorgeschicht eingebunden. In diesem Rahmen hat der Vermittler dem Kunden die Nachhaltigkeitsmerkmale klar und deutlich zu erklären und diese mit seinen Wünschen und möglichen Produktempfehlungen abzugleichen. Ziel der Regelung ist die Sensibilisierung der Kunden für ökologische und soziale Belange beim Thema Altersvorsorge sowie die Passgenauigkeit von Wünschen des Kunden mit dem Angebot von Versicherungsprodukten mit bzw. ohne Nachhaltigkeitsfaktoren durch die Assekuranz zu gewährleisten. Die neue Nachhaltigkeits-Vermittlerrichtlinie basiert auf den Grundlagen und Definitionsbeschreibungen der EU-Offenlegungs-Verordnung sowie der EU-Taxonomie-Verordnung. Damit wird letztlich der bisherige Beratungsprozess um die Dimension Nachhaltigkeit erweitert.

Die Lebensversicherer und Fondsgesellschaften (Produktanbieter) sind nach VAG verpflichtet den Vermittlern alle relevanten Informationen für den neuen ESG-Beratungsstandard zur Verfügung zu stellen. Zudem müssen die Produktanbieter nachhaltige Versicherungsanlageprodukte entwickeln und damit z.B. auch Kapitalanlagestrategien unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien. Das gestaltet sich insofern schwierig als die ESG-konforme Klassifizierung von Produkten und Unternehmen noch nicht abgeschlossen ist.

Besonderheiten für die bAV

Die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen bei Kunden im Beratungsgespräch gilt für Versicherungsanlageprodukte der Schicht III. Für Produkte der bAV bleiben die bisherigen Beratungspflichten nach VVG bestehen.  Die Nachhaltigkeitspräferenz-Abfrage nach IDD ist optional nutzbar.

Nach Ansicht von Frau Dr. Henriette Meissner, sollten Versicherer die „grünen“ Dimension des Beratungsprozesses nicht grundsätzlich für bAV-Produkte ausschließen. Möchte ein Makler ESG-Kriterien in den Produkt-Beratungsprozess der betrieblichen Altersversorgung einbeziehen, sollte der Versicherer entsprechende Informationen und geeignete Produkte im Sinne der Nachhaltigkeit zur Verfügung stellen. Das ist z.B. dann wichtig, wenn ein Vermittler zum 10.3.2022 die Transparenz-VO so umgesetzt hat, dass er Strategien zu Nachhaltikgkeitsrisiken in der Beratung berücksichtigt und das gemäß TVO z.B. auf seiner Webseite und gegenüber seinen Mandanten so erklärt hat. Jetzt plötzlich die bAV (und auch die Basisrente) wieder auszuschließen, ist wenig sinnhaft und kann zu Irritationen führen.

Wird die bAV vom Versicherer und Vermittler freiwillig in den grünen Beratungsprozess aufgenommen, liegt die Entscheidung über die Nachhaltigkeitspräferenz beim Arbeitgeber. Hintergrund ist der zweistufige Beratungsprozess in der bAV, in dem zunächst der Arbeitgeber vom Vermittler beraten wird und über die Art der Versorgung für seine Beschäftigten entscheidet. Der Beratungsablauf gestaltet sich wie folgt: Der Arbeitgeber wird vom Vermittler beraten, die Beratung ist zu dokumentieren, die Produktauswahl zu begründen und die Arbeitgeber umfassend zu informieren. Das bAV-Produktangebot des Arbeitgebers wird im nächsten Schritt – mit einer entsprechenden ESG-Information zum Angebot des Arbeitgebers – entweder von den Beschäftigten akzeptiert oder abgelehnt. Im letzteren Fall kommt eine bAV-Teilnahme nicht zustande. Räumt der Arbeitgeber eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Produkten ein, so sollte zu jedem Produkt eine entsprechende ESG-Information gegeben werden, die dem Arbeitnehmer eine Entscheidung erlaubt.

Fazit:

Versicherer und Makler können auch den Markt für betriebliche Altersvorsorge positiv für die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten nutzen und Geschäftspartner auch hierbei durch Kompetenz und Nähe unterstützen.

Die folgenden Zitate der bAV-Experten aus der Assekuranz geben einen Eindruck von der zukünftigen Bedeutung der ESG-Kriterien im bAV-Geschäft:

„Unsere Erfahrung ist, dass sich viele Unternehmen für Nachhaltigkeitsaspekte interessieren, aber nicht unbedingt ihren Mitarbeitern Vorschriften machen möchten. Das ist vor allem im Mittelstand eine weit verbreitete Sicht. Natürlich gibt es insb. bei größeren Unternehmen und Unternehmen mit stark mit Nachhaltigkeit aufgeladenen Marken Einkaufsrichtlinien, die eine strikte ESG-Orientierung von ihren Dienstleistern und damit auch von den Versicherern einfordern.“
Dr. Björn Achter, Leiter Firmenkundengeschäft Leben, Württembergische Lebensversicherung AG

„Investoren achten auch bei den KMU auf die Einhaltung der ESG Kriterien. Damit spielt eine nachhaltige bAV bereits heute in der Breite eine große Rolle. Und das bei Unternehmen, Vermittlern und Beratern. Für die Auswahl des Produktgebers und des Produktes werden ESG Kriterien regelmäßig abgefragt. Ein entsprechendes Angebot und Knowhow in der Beratung sind unabdingbar, bieten Vermittlern aber auch große Chancen.“Jan-Peter Ernst, Bereichsleiter, ERGO Group AG

„Das Thema Nachhaltigkeit rückt auch bei unseren bAV Kunden zusehends stärker in den Fokus. Dabei muss man allerdings eine Differenzierung nach Kundengruppen und Kundengröße vornehmen. Das Interesse und die Anfragen zum Thema beobachten wir relativ stark bei größeren Kunden, vor allem aus dem Umfeld öffentlicher Dienst sowie dem kirchlichen Umfeld. Bei der zweiten für uns typischen Kundenklientel, KMU-Unternehmen, wird das Thema in Einzelfällen zwar mittlerweile auch nachgefragt, steht in der Regel aber nicht weit oben in deren Prioritätenliste. Die Vorstellungen der Kunden in Sachen Nachhaltigkeit bei einem Versicherer sind noch nicht wirklich ausgeprägt zu beobachten.“
Rolf Mangold, Vertriebsdirektor und Prokurist, Versicherungskammer Bayern

„Die Gothaer legt bei ihren Produkten – auch in der bAV – großen Wert auf eine nachhaltige Ausgestaltung. Nachzulesen im Detail in unserem öffentlich zugänglichen Nachhaltigkeitsbericht. Aus unserer Sicht ist zwar noch bei vielen Kunden keine aktive Forderung nach Nachhaltigkeit zu spüren, auf Nachfrage hin merkt man aber, dass inzwischen bei immer mehr Arbeitgebern, Endkunden und Vertriebspartnern eine nachhaltige Ausgestaltung als selbstverständlicher „Hygienefaktor“ gesehen wird.“ Stefan Opel, Bereichsleiter, Gothaer Lebensversicherung

„Startschuss“ 2.8.2022: Es zündet die zweite Stufe der Nachhaltigkeitsberatung.

Dann gilt für Versicherer und Vermittler/Makler, dass bei der Beratung von Versicherungsanlageprodukten (Schicht III) zusätzlich zu den Wünschen und Zielen des Kunden nun auch die Dimension „Nachhaltigkeit“ abzufragen, diese mit der Empfehlung zu matchen und zu dokumentieren.

Und die bAV (Schicht II)? Freiwillig ja und das ist auch sinnvoll, wenn z.B. der Vermittler mit Inkrafttreten der TVO zum 10.3.2021 erklärt hat, dass Nachhaltigkeit in seiner Beratung berücksichtigt wird oder der Vermittler generell alle Schichten miteinbeziehen will. Das muss m.E. in den Beratungsstrecken als Option umgesetzt sein mit der Besonderheit, dass es in der bAV die Ebene Arbeitgeber und die Ebene Beschäftigte in der Beratung gibt. Die Stuttgarter bietet diese Option, da sie als Pionier die GrüneRente diese in allen drei Schichten anbietet.“ Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin, Stuttgarter Vorsorge-Management und Generalbevollmächtigte für die bAV Stuttgarter Lebensversicherung a.G.

„Wir stellen fest, dass unsere Kunden vermehrt ein nachhaltiges Verhalten sowie eine nachhaltige Unternehmensführung bei Anbietern von betrieblicher Versorgungsleistungen hinterfragen und dies Bestandteil von Ausschreibungen wird.“
Michael Reinelt, Zentralbereich Betriebliche Altersversorgung, Alte Leipziger Lebensversicherung a. G

„Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in den Unternehmen an Bedeutung. ESG-Kriterien beeinflussen zunehmend das Kaufverhalten bei Finanzprodukten. Insbesondere große Unternehmen prüfen, ob Finanzprodukte nachhaltig eingestuft sind. Die Nachhaltigkeit von Finanzprodukte wird Lurse zukünftig in Kundenausschreibungen bei Finanzdienstleistern abfragen.“
Matthias Edelmann, Managing Partner, Lurse

 

 

 

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