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Gehälter der DAX-Chefs: Fehlende Transparenz birgt massive Risiken

Gehälter der DAX-Chefs: Fehlende Transparenz birgt massive Risiken

Neue Studie deckt Unklarheiten in den Bemessungsgrundlagen von Pensionen und variabler Vergütung auf

Frankfurt am Main, 25.04.2018 – Unternehmensskandale, wie beispielsweise der Dieselskandal bei Volkswagen oder die umstrittenen Hypothekengeschäfte der Deutschen Bank, verschärfen die Debatte um Vorstandsgehälter. Die darüber zu entscheidenden Aufsichtsräte geraten immer mehr ins Kreuzfeuer der öffentlichen Diskussion. Was aber hat sich durch verstärkte gesetzliche Regularien und Anforderungen an der Transparenz der Vorstandsvergütung tatsächlich getan?

Global Board Services, ein auf Vorstandsvergütung spezialisiertes Tochterunternehmen der Lurse AG, ist dieser Frage auf den Grund gegangen und hat, in Kooperation mit der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, eine umfassende Analyse der Geschäftsberichte 2016 der in den Aktienindizes DAX30-, MDAX-, SDAX- und TecDAX-notierten Unternehmen durchgeführt. Für die internationale Vergleichbarkeit wurden außerdem Unternehmen des EUROSTOXX50 einbezogen.
Die Studie liefert neben Informationen zur absoluten Vergütungshöhe detaillierte Einblicke in die Strukturen der verschiedenen Planarten für variable Vergütung, Nebenleistungen, vertragliche Regelungen und Pensionszahlungen. In die Indexbetrachtung kamen all jene Unternehmen, die mindestens zwei Quartale in einem Index vertreten waren.

Wichtigste Erkenntnis: Die mangelnde Transparenz und Verständlichkeit der Vergütungssysteme führt insbesondere im Bereich der Pensionen und der variablen Vergütung zu massiven Risiken für die Unternehmen.

Versorgungsaufwand für Vorstände im Extremfall 10 Prozent höher als ausgewiesen
Die Transparenz der Pensionssysteme und -aufwendungen hat sich in den letzten Jahren zwar verbessert, ist aber in vielen Unternehmen nach wie vor unzureichend. Das bestätigt auch die aktuelle Studie und deckt ein weiteres folgenschweres Risikopotenzial auf: Vorstände genießen Vorzüge bei der medizinischen Versorgung und haben damit eine veränderte Lebenserwartung gegenüber dem allgemeinen Bevölkerungsdurchschnitt – dieser Tatbestand ist u. a. durch die renommierte Studie „The rising longevity gap by lifetime earnings – distributional implications for the pension system (DIW Berlin; Peter Haan , Daniel Kemptner und  Holger Lüthen; 18. Oktober 2017) belegt. Damit erhöht sich faktisch auch der Versorgungsaufwand für diese Berufsgruppe. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die standardisierten biometrischen Rechnungsgrundlagen für die Altersversorgung nach Heubeck (Richttafeln 2005 G) von einer zu niedrigen Sterberate ausgehen. „Dies ist ein erhebliches Pulverfass für Aufsichtsräte, die nicht wissen, dass die Pensionsberechnungen nicht auf der Grundlage einer angemessenen Basis laufen. Bereits bei der durchschnittlichen Abweichung kann dies zu einem ca. 7 Prozent bis 8,5 Prozent höheren erforderlichen Versorgungsaufwand führen. Im Extremfall werden Vorstandspensionen 10 Prozent zu niedrig berechnet“, sagt Matthias Edelmann, Managing Partner bei Lurse.

Komplexität der Pensionen lässt Interpretationsspielräume zu
Die Studie zeigt außerdem, dass die Bewertungsannahmen für die Ermittlung der Versorgungsaufwände von Vorständen komplex und undurchsichtig sind. Aufgrund einer Vielfalt unterschiedlicher Versorgungsregelungen mit ihren zahlreichen Parametern wie Pensionsalter, Lebenserwartung, Zurechnungsmodalitäten oder Verrentungsfaktoren sind die Darstellungen in den Geschäftsberichten nicht transparent und beinhalten weitgehende Interpretationsspielräume. „So bleibt es nicht nur für Aufsichtsräte, sondern auch für Fachleute und die betroffenen Vorstände selbst, schwierig, die Auswirkungen und gegebenenfalls Hebelwirkungen der verschiedenen Parameter einzuschätzen, die im Rahmen einer Versorgungszusage wirken“, unterstreicht Prof. Dr. Michèle Morner, Inhaberin des Lehrstuhls für Personal, Führung + Entscheidung im öffentlichen Sektor an der Universität Speyer. Sie ergänzt: „Ein einfacher und transparenter Weg für den Aufsichtsrat wäre es, anstelle einer Zusage, die auf variablen Faktoren beruht, bei der Versorgungszusage das jeweils angestrebte Versorgungsniveau festzulegen.“

Höhe der variablen Vergütung nicht nachvollziehbar
In deutschen Unternehmen, die in den maßgeblichen Börsenindizes DAX30, MDAX, SDAX und TecDAX notiert sind, dominieren die kurz- (Short Term Incentive, kurz STI) und langfristigen (Long Term Incentive, kurz LTI) Vergütungselemente. Durch die Verknüpfung der variablen Vergütung mit den zentralen internen Kennzahlen des Unternehmens (Key Performance Indicators, kurz KPIs) können Leistungsanreize gesetzt werden, die den kurz-, mittel- oder langfristigen Unternehmenserfolg sicherstellen sollen.
Das Ergebnis der Studie: Die Höhe der variablen Vergütung für die Vorstände – ob nun kurz-, mittel- oder langfristig ausgerichtet, ist nicht eindeutig nachvollziehbar. Dazu tragen maßgeblich drei Faktoren bei: Erstens erschweren die verschiedenen Zeithorizonte der ‚gewährten‘ und der ‚zugeflossenen‘ Vergütung, insbesondere bei den LTI-Plänen, die eindeutige Zuordnung der ausgezahlten Beträge zum jeweiligen Plan und zu den entsprechenden KPIs. Zweitens werden die KPIs nicht in Relation zur Zielerreichung bzw. Leistung des einzelnen Vorstands dargelegt, sondern aggregierte KPIs lassen vielmehr keinen Rückschluss auf die absolute oder prozentuale Zielerreichung des Einzelnen zu. Drittens führen diskretionäre Anpassungsmöglichkeiten, die dem Aufsichtsrat explizit zugesprochen werden, zu weiterer Intransparenz. Das ist der Fall, weil die Grundlage für die Nutzung dieses Handlungsspielraums in Geschäftsberichten nicht offengelegt wird und zwar weder die Berechnungsannahmen, noch die Kriterien, nach denen bewertet wird.

„Die variable Vergütung der Vorstände basiert auf Kennzahlen, die für Aufsichtsräte weitgehend undurchsichtig sind. Bei den am häufigsten genannten individuellen Zielen ist es in den meisten Fällen mehr als unklar, auf welcher Basis diese ermittelt werden. Teilweise werden individuelle Ziele auch durch freie Ermessensentscheidungen des Aufsichtsrats beurteilt oder aus einer Kombination von Kennzahlen und Ermessensentscheidung“, bilanziert Stefan Würz, Managing Partner der GBS GmbH.

Short Term Incentives mit größtem Anpassungsspielraum
Im DAX30 erlauben 16 Unternehmen Sonderzahlungen für ‚außergewöhnliche Leistungen‘, während 19 Unternehmen dem Aufsichtsrat das Recht gewähren, die Auszahlung des STI anzupassen. Die Anpassungsspielräume unterscheiden sich eklatant und erstrecken sich von einem Totalentfall bis zur Erhöhung um 50 Prozent. Die Anpassungsmöglichkeiten in LTI-Plänen sind seltener und werden zumeist vor dem Hintergrund einer unvorhergesehenen Aktienkursentwicklung formuliert.

Kontakte für die Studie:

  • Matthias Edelmann, Managing Partner, Lurse AG, +49 69 6783060-39, medelmann@lurse.de
  • Stefan Würz, Managing Partner, GBS GmbH, +49 69 6783060-52, sw@globalboardservices.com
  • Dr. Michèle Morner, Lehrstuhl für Personal, Führung + Entscheidung im öffentlichen Sektor, +49 6232 654-276, morner@uni-speyer.de