Digitale Rentenübersicht und Prozessdigitalisierung
Am 21. Januar 2021 fand der erste Lurse Round Table BAV 4.0 statt. Die Digitale Rentenübersicht der Bundesregierung und die Prozessdigitalisierung standen im Zentrum der Diskussionen. Den Referenten Katharina Michler, Referentin, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Dr. Dietmar Droste, Leading Expert Pensions Group HR / Executive HR, E.ON und Jens Sattler, Leiter Entwicklung und Architektur, CONITAS sei herzlich für die inhaltlichen Beiträge und Impulse gedankt. Die Vorträge waren informativ, wertvoll und hilfreich für die bevorstehenden Herausforderungen der Branche.
Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung der Vorträge.
Bringt die digitale Rentenübersicht Transparenz in der Alterssicherung?
Katharina Michler, Referentin, Bundesministerium für Arbeit und Soziales stellte die Inhalte des Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung mit Schwerpunkt Digitale Rentenübersicht vor. Ziel des Gesetzes ist u. a. die Einführung einer digitalen Rentenübersicht über alle drei Säulen des Altersvorsorgesystems. Über ein Portal können Bürger und Bürgerinnen ihre Altersvorsorgeansprüche digital abrufen und möglichen Handlungsbedarf erkennen.
Das Gesetz regelt die Entwicklung und Einführung der Digitalen Rentenübersicht (DR). Dazu gehören zum einen die Errichtung der Zentralen Stelle für die digitale Rentenübersicht (ZfDR). Zum anderen die Regelung der einzelnen Schritte bis zur Einführung, von der Entwicklungsphase, über die erste Betriebsphase bis hin zum Regelbetrieb.
Für die Entwicklungsphase sind 18 Monate ab dem Start im Januar 2021 vorgesehen. In der sich anschließenden ersten Betriebsphase geht die digitale Rentenübersicht mit freiwillig angebundenen Versorgungseinrichtungen für 12 Monaten in die Testphase. In dieser Phase soll die DR bereits voll funktionsfähig sein. Erst zu einem späteren Zeitpunkt, im Regelbetrieb, wird es eine verpflichtende Anbindung der Versorgungseinrichtungen geben. Dieser Zeitpunkt wird über eine Verordnung und mit Hilfe von Übergangsvorschriften festgelegt. Eine verpflichtende Anbindung wird es nur für diejenigen Vorsorgeeinrichtungen geben, die bereits heute zu jährlichen Standmitteilungen verpflichtet sind. Eine freiwillige Anbindung von Versorgungseinrichtungen ist möglich.
Zentrale Stelle für die digitale Rentenübersicht
Die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht wird unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) errichtet. Hintergrund ist die Fachkompetenz, das große Ansehen in der Bevölkerung, die Erfahrung mit großen Datenmengen und die bereits vorhandenen Schnittstellen (etwa der Zfa) zu vielen Anbietern. Aufgabe der ZfDR ist
- die genaue Definition der zu liefernden Daten
- die Aufbereitung der Daten und Darstellung für die Nutzer
- der Aufbau der IT-Strukturen.
Zum Aufbau der IT-Strukturen werden bei der ZfDR spezielle Fachbeiräte (kleine Einheiten) gebildet.
Die inhaltlichen Festlegungen treffen DRV Bund und ZfDR gemeinsam mit einem Steuerungsgremium. Das Steuergremium soll ein kleiner schlagkräftiger Kreis sein, der sich aus Repräsentanten aus Verbraucherschutz, BMAS, BMF und Vorsorgeeinrichtungen zusammensetzt.
Funktionsweise der digitalen Rentenübersicht
Die ZfDR stellt ein zentrales Online-Portal zur Verfügung, auf dem Informationen für die rein digitale Abfrage der Anwartschaften bereitstehen. Es gelten die folgenden Merkmale:
- die Nutzung ist für alle Bürger der BRD freiwillig
- es sind nur digitale Abfragen möglich
- die Hoheit über den Abruf und die Speicherung liegt bei dem Nutzenden. D. h. keine dritte Institution hat Zugriff auf die Daten.
Ziel ist es, die Informationen verständlich, vergleichbar und barrierefrei darzustellen. Verantwortlich für die Informationen und Auskünfte sind die Versorgungseinrichtungen, die die Zahlen bereitstellen.
Informationsumfang
Aufgabe der ZfDR ist die Zusammenführung aller Anwartschafts-Standmitteilungen der Nutzenden. Neben allgemeinen Angaben wird über die Art des Produktes, die erreichten, aber auch erreichbaren Anwartschaften (wertmäßige Angaben) informiert. Zusätzliche allgemeine Auskünfte gibt es über die Steuer- und Sozialversicherungspflicht der Produkte sowie über mögliche Invaliditätsleistungen, jedoch nicht in Zahlen.
Die ZfDR filtert die Informationen und stellt diese übersichtlich in der Kombination aus erreichtem, erreichbaren, garantierten und prognostizierten Anwartschaften zusammen. Der Nutzende kann daraus ersehen, was bereits erreicht wurde und was erreichbar ist. Dieser Gesamtüberblick ist Kern der Digitalen Rentenübersicht. Das Steuerungsgremium wird festlegen wie die Übersicht aussehen wird. Denkbar ist eine Addierung der Daten zu einer Summe oder die Darstellung in Diagrammen.
Ablauf der Abfrage und Identifikation der Nutzenden
Für die Identifikation der Nutzer wird die Steuer-ID bei der ZfDR und den Versorgungseinrichtungen genutzt. Dafür ist die vorherige Erfassung der Steuer-ID in den Kundendatensätzen der Vorsorgeeinrichtungen oder den Schnittstellenintermediärem / -Dienstleistern erforderlich. Für die Bestandskunden und -kundinnen der Vorsorgeeinrichtungen steht ein vollmaschinelles Abrufverfahren für die Steuer-ID bei der Bundeszentralstelle für Steuern (BZSt) zur Verfügung. Die Steuer-ID für Neukunden ist von den Versorgungseinrichtungen eigenständig zu ermitteln. Ausnahmen bestehen für Träger der GRV, landwirtschaftliche Alterskassen und berufsständische Versorgungswerke.
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Der Nutzer der DR authentifiziert sich bei der ZfDR mit seiner Steuer-ID. Die ZfDR fragt nach der Identifikation die Daten bei den verschiedenen Versorgungsträgern und der DRV Bund ab. Anschließend werden die Daten in einer Übersicht zusammengeführt. Es wird damit gerechnet, dass sich die Auskunftserteilung über mehrere Tage hinziehen wird. Eine Echtzeitübermittlung der Daten wird zunächst nicht möglich sein. Ein Benutzerkonto für bereits abgerufene Daten ist bei der DRV Bund vorgesehen. Ein Abruf der Informationen in Dateiformat sei ebenfalls möglich. Ein Abfragerecht für Rentner und Hinterbliebene ist nach aktuellem Stand nicht vorgesehen.
In die digitale Rentenübersicht werden Versorgungseinrichtungen verpflichtend einbezogen, die bereits zur Versendung von Standmitteilungen verpflichtet sind. Direktzusagen und Unterstützungskassen sind ausgenommen, können sich jedoch freiwillig an der DR beteiligen, wenn ihre Altersvorsorgeprodukte den Kriterien entsprechen. Es besteht die Hoffnung, dass gerade solche Arbeitgeber, die auch externe Durchführungswege anbieten, ihre Direktzusagen/Unterstützungskassenzusagen freiwillig melden werden. Bei freiwilliger Anbindung ist es möglich nur bestimmte Anwartschaften zu melden.
Langfristiges Ziel des BMAS ist es, Step by Step sämtliche Versorgungseinrichtungen einzubinden. Aber zunächst ist man auf der Suche nach freiwilligen Versorgungseinrichtungen für den Testbetrieb.
Direktzusage und Digitale Rentenübersicht
In dem anschließenden Vortrag schilderte Dr. Dietmar Droste, Leading Expert Pensions bei E.ON, die Vor- und Nachteile einer Teilnahme von Unternehmen mit dem Durchführungsweg Direktzusage an der Digitalen Rentenübersicht (DR). Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung für die Direktzusagen zur Teilnahme an der Digitalen Rentenübersicht. Jedoch wäre eine Teilnahme im Sinne der betrieblichen Altersversorgung wünschenswert.
Gegen eine Teilnahme der Versorgungseinrichtung Direktzusage könnte der zusätzliche administrative und digitale Aufwand und damit die zusätzlichen Kosten für die Unternehmen sprechen. Weiterhin könnte der zu erwartende zusätzliche Informationsbedarf der Mitarbeiter gegen eine Teilnahme sprechen. Die Informationen der DR werden Fragen bei den Mitarbeitern aufwerfen, die von den Unternehmen beantwortet werden müssen. Dafür werden zusätzliche Personal-Kapazitäten gebunden.
Andererseits kann die DR von den Unternehmen als zusätzliches Informationsinstrument für die bAV in der Belegschaft genutzt werden. Ein weiteres wesentliches Argument für eine Teilnahme, sind die aus einer unvollständigen DR wahrscheinlich resultierenden Mitarbeiterfragen. Zudem spricht die Tatsache, dass viele große Arbeitgeber mehrere Durchführungswege der bAV bedienen, ebenfalls für eine Teilnahme. Diese Unternehmen müssen sich für die EbAVs zwangsmäßig mit der DR beschäftigen und könnten die Direktzusage gleich einbeziehen.
Letztlich ist eine möglichst einfache Umsetzbarkeit der DR der Schlüssel zum Erfolg. Folgende Rahmenbedingungen sind für eine einfache Umsetzung von Bedeutung:
- Übermittlung von Daten nur in der Anwartschaftsphase
- Berechtigung der Versorgungseinrichtungen zur Abfrage der Steuer-ID beim BZSt
- Übermittlungspflicht nur für die in der Standmitteilung angelegten Daten
- Einordnung von Zusageformen wie Ratenzahlungen, erfolgsabhängige Beiträge, …
- Die Möglichkeit, bei der Teilnahme nach Personengruppen zu selektieren, kann helfen, die Hemmschwelle für Arbeitgeber zu senken.
Digitale Adapter liefern Daten problemlos an die ZfDR
In dem nachfolgenden Beitrag stellte Stephan Döll, Partner bei Lurse, eine digitale Lösung für die Übermittlung von Altersvorsorgedaten an die ZfDR vor. Ausgangspunkt ist das Vorhandensein einer zentralen Datenbank auf der alle, für die DR notwendigen Versorgungsdaten eines Unternehmens oder Produktproviders verfügbar sind. Die an den Versorgungssystemen beteiligten Akteure liefern die notwendigen Daten für die Digitale Rentenübersicht (DR). Ein intelligentes Validierungssystem kümmert sich um die Aufbereitung der Lieferungen. Datenredundanzen und Inkonsistenzen können erkannt und eliminiert werden.
Sämtliche Datenlieferungen der einzelnen bAV-Anbieter können im gewohnten Format und über etalierte Transportwege erfolgen. Es entsteht kein zusätzlicher Implementierungsaufwand – und das über alle Versorgungssysteme und Durchführungswege.
Dies wird über einzelne Microadapter realisiert. Das sind kleine Softwaremodule, die als Schnittstellenendpunkte die gelieferten Daten entgegennehmen, validieren, umschlüsseln und für die Anforderungen der Übermittlung an die ZfDR aufbereiten. Diese einzelnen Mircoservices sind entkoppelt und erledigen nur eine kleine Aufgabe. Durch das Zusammenspiel zahlreicher Microservices entsteht eine digitale Adapterschicht.
Mit Hilfe dieser Adapterschicht kann die ZfDR problemlos mit den angefragten Versorgungsdaten beliefert werden. Die Datenbanksysteme der Versorgungseinrichtungen müssen dabei in keiner Weise angepasst werden. Digitale Adpater ermöglichen eine mundgerechte Lieferung von validen Daten und werden von digitalen Dienstleistern, unter anderem auch von Lurse entwickelt und bereitgestellt.
Perspektive auf die Digitale Rentenübersicht aus Unternehmensperspektive:
„Die Digitale Rentenübersicht ist aus Sicht der Versicherten ein sinnvoller und längst überfälliger Schritt zu einer transparenten und nachhaltigen Darstellung der eigenen Ansprüche. Für eine zielgerichtete technische Umsetzung innerhalb der betroffenen Unternehmen werden in den kommenden Jahren noch einige grundlegende Rahmenbedingungen und Vorgaben zu erarbeiten sein.“
Jens Sattler, Leiter Entwicklung und Architektur bei der Conitas, einer Tochter der VBL
„Die „digitale Rentenübersicht“ ist ein Schritt in die richtige Richtung, um bei den Bundesbürger*innen mehr Bewusstsein für ihre Altersversorgung zu erzeugen. Unternehmen mit vielen Durchführungswegen (u. a. Direktzusagen) werden jedoch vor große Herausforderungen gestellt.“
Dirk Schätzke, Leiter Pension Administration Germany & Sub Process Manager Pension, Vattenfall
„Die sehr plastische Darstellung des Ziels, führt bei Arbeitgebern, die aufgrund ihrer Direktzusagen nicht zur Teilnahme verpflichtet sind zur Überlegung, dennoch Daten zuzuliefern. Das kann im Informationsinteresse gegenüber den Beschäftigten liegen, wenn z. B. weitere Durchführungswege bedient werden.“
Andreas Schillig, Leiter Pensionsmanagement, TUI Group
„Für viele Menschen wird die Einführung der (gesetzlichen) digitalen Rentenübersicht eine Unterstützung sein, um den Überblick zur finanziellen Lage im Ruhestand zu finden. Dies ist ein erster Schritt. Ob sich die gesetzliche oder eine betriebsinterne Rentenübersicht durchsetzt, wird sich zeigen.“
Michael Siegler, Comp & Benefit Analyst, Qualcomm CDMA Technologies
„Die digitale Rentenübersicht ist eine gute Ergänzung der internen Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern. METRO hat mehrere Durchführungswege, welche jeweils separat kommuniziert werden. Daher wäre eine gesamte digitale Rentenübersicht hilfreich. Die Übersicht sollte einfach und verständlich aufgebaut werden, so dass möglichst viele Mitarbeiter diese nutzen können.“
Mengmeng Wang, Compensation and Benefits, Metro AG
Themenschwerpunt Prozessdigitalisierung
Prozessautomatisierungen dürfen nicht verschlafen werden, sagen bAV-Experten:
„Die Notwendigkeit eigene Prozesse ständig zu optimieren und sukzessive zu digitalisieren sollte fester Bestandteil eines jeden Unternehmens sein. Wiederverwendbare Lösungen stellen eine sinnvolle und zentrale Möglichkeit da, um in kurzer Zeit und mit überschaubaren Aufwand moderne Prozesse unternehmensübergreifend umzusetzen.“
Jens Sattler, Leiter Entwicklung und Architektur bei der Conitas, einer Tochter der VBL
„Prozessautomatisierungen“ sind heutzutage unverzichtbar für große Unternehmen und dürfen nicht verschlafen werden. Digitale Schnittstellen sind in diesem Prozess von zentraler Bedeutung.“
Dirk Schätzke, Leiter Pension Administration Germany & Sub Process Manager Pension, Vattenfall
„Eine effiziente Administration komplexer und vernetzter Sachverhalte ist nur durch den Einsatz intelligenter DV-Systeme darstellbar, die über gesicherte Schnittstellen Informationen austauschen.“
Andreas Schillig, Leiter Pensionsmanagement, TUI Group
„Die Automatisierung wird auch in der bAV ihren Weg finden. Prozesse werden standardisiert und dann automatisiert. Dies schafft Ressourcen für neue interessante Aufgaben in allen betroffenen Arbeitsbereichen (HR, AC).“
Michael Siegler, Comp & Benefit Analyst, Qualcomm CDMA Technologies
Prozessdigitalisierung am Beispiel des Rentenantragsprozesses bei der VBL
Jens Sattler, Leiter Entwicklung und Architektur bei der Conitas, einer Tochter der VBL, stellte in seinem Vortrag die Prozessdigitalisierung am Beispiel des Rentenantragsprozess vor.
Die VBL hat die Rentenbeantragung – einer der zentralsten und komplexesten Geschäftsprozesse der VBL – komplett digitalisiert. Nicht vollständig verarbeitete Rentenanträge werden automatisch und ereignisgesteuert in die maschinelle Verarbeitung übertragen und weiterverarbeitet. Mit der Deutschen Rentenversicherung wurden über digitale Adapter komplett neue Datenaustauschszenarien geschaffen. Digitale Rentenbescheide werden von der DRV direkt an die VBL übermittelt und können den gesamte Rentenantragsprozess in Gang setzten.
Aufgrund der Nachfrage einiger Zusatzversorgungskassen hat die CONITAS die neu geschaffenen Austauschprozesse mit der DRV in einem wiederverwendbaren Produkt gekapselt. An den neu geschaffenen digitalen Verfahren kann mit Hilfe von digitalen Adaptern jede Zusatzversorgungskasse angeschlossen werden, ohne dass deren Systeme angepasst werden müssen.
Erfolgsfaktoren der der Prozessdigitalisierung
Abschließend stellte Stephan Diez, Senior Projektmanager, Lurse, die vier grundlegenden Erfolgsfaktoren der Prozessautomatisierung vor:
- Der zu automatisierende Prozess ist mit allen Prozessschritten und dazu gehörenden Touchpoints zu analysieren und zu standardisieren.
- Die Abläufe sind einfach zu gestalten und vom Kunden zu durchdenken.
- Limitationen sind in Frage zu stellen und Etappen zu definieren.
- Neue Wege sollten erkundet werden und die Wünsche des Kunden von morgen berücksichtigt.
Lurse bedankt sich bei allen Teilnehmern für den spannenden Austausch im Rahmen des Round Tables BAV 4.0.
Autorin des Rückblicks
Utta Kuckertz-Wockel, Senior Managerin, Lurse